Bevölkerungsschutz - Auswirkungen des Klimawandels
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Der Bevölkerungsschutz umfaßt die Aufgaben und Maßnahmen von Kommunen und Bundesländern im Katastrophenschutz und des Bundes im Zivilschutz, dh alle nicht-polizeilichen und nicht-militärischen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung und ihrer Lebensgrundlagen vor Katastrophen. Prägend für die Diskussion im Bereich Schutz der Bevölkerung und Anpassung an den Klimawandel sind Extremwetterereignisse. In erster Linie befaßt damit sind die Hilfsorganisationen (ASB, DRK, Johanniter, DLRG, Malteser), das THW und die Feuerwehren.
Die diversen Klimamodelle sagen übereinstimmend bis zum Ende des Jahrhunderts ansteigende Temperaturen und eine Verlagerung der Niederschläge vom Sommer in den Winter voraus. Der Bevölkerungsschutz muß daher zB einen Anstieg der winterlichen Hochwassergefahr und in trockeneren Sommern mit höheren Temperaturen eine erhöhte Waldbrandgefahr im Blick behalten. Extremereignisse dürften häufiger und stärker auftreten, daher sollten frühzeitig angemessene Anpassungsmaßnahmen entwickelt werden.
Würde Kritische Infrastruktur ausfallen, könnnte das weitreichende Folgen haben, wie das Beispiel des Stromausfalls im Zusammenhang mit einem Wintersturm im Münsterland im Jahr 2005 zeigte. Sowohl öffentliche als auch private Akteure sind gefordert, die Versorgungssicherheit in Deutschland aufrecht zu erhalten. Auch Infrastrukturbetreiber sind gefordert, sich an klimabedingte Veränderungen der Rahmenbedingungen anzupassen, etwa bei Extremwetterereignissen.
Kritische Infrastruktur umfaßt technische Basisinfrastrukturen wie Energieversorgung, Informations- und Kommunikationstechnologie, Transport und Verkehr, (Trink-)Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, ferner sozioökonomische Dienstleistungsinfrastrukturen wie Gesundheitswesen und Ernährung, Notfall- und Rettungswesen und Katastrophenschutz, Parlament, Regierung, öffentliche Verwaltung und Justizeinrichtungen, Finanz- und Versicherungswesen und Medien und Kulturgüter.
Bevölkerungsschutz in Zeiten des Klimawandels erfordert sowohl eine Betrachtung von direkten Auswirkungen auf die Menschen als auch den Schutz der allgemeinen Lebensgrundlagen, dh. der kritischen Infrastrukturen.
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Beispiele für Auswirkungen des Klimawandels
- Vermehrtes Auftreten von Starkregen und Hochwasser gefährden Menschen, die in der Nähe von Gewässern leben
- Zunehmende Gefährdung von Versorgungssystemen wie Energie- und Trinkwasserversorgung, Transport- und Verkehrssysteme, Gesundheitswesen
- Stürme, Niederschläge, Gewitter können Verkehrsinfrastruktur und Anlagen beschädigen / unterspülen / überschwemmen
- mehr Einsätze von Hilfsorganisationen zu erwarten
- Versorgungsengpässe nach Einschränkungen von Verkehrswegen
- Hangbewegungen und Bergabgänge in den Höhenlagen durch aufgeweichte Böden gefährden Straßen und Bahntrassen
- mehr Personenschäden durch Unfälle wegen erhöhter Belastungen der Verkehrsteilnehmer in Hitzeperioden
- Versorgungssicherheit mit Strom sinkt bei Niedrigwasser und hohen Wassertemperaturen der Oberflächengewässer
- Aufgabenfelder des Bevölkerungsschutzes verändern sich, es ist mit höheren Einsatzzahlen zu rechnen
- Akteure, Strukturen und Abläufe im Bevölkerungsschutz verändern sich
- Ausstattungsbedarf und Ausbildung des Katastrophenschutzes ändern sich
- von der Bevölkerung wird mehr Selbstschutz und Selbsthilfe verlangt
- Höhere Anforderungen an den Katastrophenschutz durch älter werdende und isolierter lebende Bevölkerung (demographischer Wandel)
- nicht ausreichende Rettungs- und Behandlungskapazitäten zB bei Hitzewellen wie im Sommer 2003
- Zunahme von Einsätzen im Zusammenhang mit Extremwetterereignissen, insbesondere Stürmen und Hochwasser bereits jetzt zu beobachten, derzeit weniger wegen Schneestürmen, Hagel, Blitzeis, Hitzeperioden, Waldbränden / Flächenbränden
- extreme Wetterereignisse können die Hilfsorganisationen selbst betreffen, zB durch Beschädigung von Liegenschaften oder technischer Ausstattung oder durch den Ausfall kritischer Infrastrukturen (Festnetztelefon, Mobiltelefon, mobile Internetzugänge), was sich negativ auf die Einsatzfähigkeit auswirken kann
Beispiele für mögliche Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel
- Dokumentation und Aufbereitung von Extremwetterereignissen und deren Bewältigung, zB Hochwasserschadendatenbank HOWAS21
- Einsatzstatistiken und andere Informationen zu Ereignissen auswerten, um Einsatzhäufigkeit und Personalaufwand bei bestimmten Typen von Ereignissen abschätzen zu können
- Durchführung von Risikoanalysen mit der Erstellung und Untersuchung von Szenarien. Risikoanalyse durchführen, um herauszufinden, mit welchen Ereignissen bzw Einsätzen im Zuständigkeitsgebiet gerechnet werden muß
- umfassende Risikobewertung für Städte und Gemeinden
- Statistiken harmonisieren als Grundlage für ein Monitoring
- Vermittlung der Notwendigkeit zur Anpassung an Entscheidungsträger in Behörden und Hilfsorganisationen
- Informationsangebot verbessern, vernetzen und auf die Aktiven im Bevölkerungsschutz zuschneiden
Hitze
- realistische Einschätzung der eigenen Betroffenheit durch Extremwetterereignisse und der Konsequenzen für die eigene Einsatzfähigkeit, zB bei einer Hitzewelle, hitzeangepaßtes Verhalten im eigenen Arbeitsalltag umsetzen, möglichen Personalausfall einplanen
- Arbeitsumfeld der Helfer an die erschwerten Bedingungen anpassen. Die Spanne reicht vom Sonnenschutz oder dem Mineralwasser bei einer Hitzewelle bis zur Klimatisierung von Räumen und Einsatzfahrzeugen
- Sonnenschutz und Schutz vor Insektenstichen für die Helfer bereitstellen: Sonnencreme, Sonnenbrille, Kopfbedeckung, Insektenspray
- die zu erwartende UV-Strahlung sollte bekannt sein
- auch Bevölkerung aufklären für angepaßtes Verhalten
Krankheiten
- Impfstatus der Einsatzkräfte regelmäßig überprüfen. Impfschutz kann insbesondere bei überörtlichen Einsätzen und unter schlechten hygienischen Bedingungen wichtig sein
- Bevölkerung zu gesundheitlichen Gefahren aufklären
Kritische Infrastruktur
- systematische Analyse der Abhängigkeit von Infrastrukturleistungen, da das Risiko eines Ausfalls immer besteht
- systematische Betrachtung der eigenen Verwundbarkeit, um geeignete Gegenmaßnahmen treffen zu können
- enge Zusammenarbeit von Einsatzkräften und Betreibern Kritischer Infrastruktur, zB durch die Koordinierung der Einsatzplanung und die Durchführung gemeinsamer Übungen
- Einsatzfähigkeit bei Ausfall der Infrastruktur sicherstellen, etwa durch Einrichtung einer Notstromversorgung oder Schaffung alternativer Kommunikationsmöglichkeiten
Einsatzkonzepte verbessern
- Sensibilisierung von Einsatz- und Betreuungskräften
- Einsatzkoordination optimieren: Optimierung der Planung und Koordination der Einsätze des Katastrophenschutzes
- Kooperationen akteurs- und fachübergreifend stärken, zB von DWD, THW, Feuerwehren, Kommunalverwaltung, Wissenschaft etc
- organisationsinterne Abstimmung verbessern, z.B. Lagebilder zeitnah weitergeben
- organisationsübergreifende Abstimmung verbessern, z.B. eindeutige Kommunikationswege festlegen, Fähigkeiten und Grenzen der beteiligten Akteure vermitteln
- überregionale und ggf. länderübergreifende Abstimmung verbessern, insbesondere wenn Einsatzkräfte außerhalb der Heimat eingesetzt werden, z.B. durch identische Dienstvorschriften wie bei der Feuerwehr vorhanden oder durch detaillierte Leistungsbeschreibungen
Warn- und Meldewege
- Technische Voraussetzungen schaffen für effektive Warnung der Betroffenen und gezielte Informationen bereitstellen
- Bevölkerung über Warnsystem möglichst jederzeit erreichen können (Weckeffekt), z.B. durch Einrichtung eines Sirenensystems
- Alarmierung der Einsatzkräfte verbessern
Ressourcen / Material
- Vorbereitung / Einsatzplanung, Ausbildung / Schulung, Ausstattung und Personal im Katastrophenschutz an Anpassungserfordernissen ausrichten
- Ausstattung und Ausbildung des Katastrophenschutzes anpassen
- Zahl der Einsatzfahrzeuge bei Hilfsorganisationen und THW aufstocken
- Fahrzeugausstattung verbessern, z.B. Feuerwehr mit leistungsfähigen Pumpen und Stromgeneratoren ausrüsten
- Verfügbarkeit von Schutzkleidung vom täglichen Bedarf weg, hin zu langen Einsätzen auslegen
- bei Schutzkleidung extreme Wetterverhältnisse (z.B. Hitze) berücksichtigen
Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung
- Bevölkerung in den Anpassungsprozeß auf lokaler Ebene miteinbeziehen, von der Problemdefinition bis zur Erarbeitung von Lösungsansätzen
- Schaffung zentraler Informations- und Anlaufstellen, die Anpassungsfragen aus verschiedenen Bereichen und für unterschiedliche Zielgruppen beantworten können
- Sensibilisierung der Bevölkerung für die möglichen Auswirkungen von Extremwetterereignissen verbessern. Konkrete Szenarien "was wäre wenn?" betrachten
- Bürger über Eigenverantwortung besser aufklären, Selbsthilfefähigkeit fördern
- Aufklärung und gezielte Information der Bevölkerung, um Beteiligung an Maßnahmen zu verbessern
- Eigenverantwortung für Selbstschutz und Selbsthilfemaßnahmen der Bevölkerung stärken
- Betroffenheit und Fähigkeiten individuell berücksichtigen, z.B. tägliche Meldungen von Senioren bei Hitze
- Klimatisierung und Notstromversorgung in Krankenhäusern und Seniorenheimen prüfen
- neue Wege zum direkten Dialog mit der Bevölkerung nutzen, z.B. soziale Netzwerke. Unterschiedliche Zielgruppen in der Bevölkerung lassen sich mit unterschiedlichen Kommunikationsmedien erreichen, z.B. über Online-Lernplattformen
- Ausbildungsprogramme, z.B. zur medizinischen Erstversorgung an Schulen anbieten
Referenzen
[1] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU, Hrsg.): Dem Klimawandel begegnen / Die deutsche Anpassungsstrategie, 2009, Berlin
[2] Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel / Hintergrundpapier, o.O. u.J.
[3] Franck, Enke und Peithmann, Ortwin (2010): Regionalplanung und Klimaanpassung in Niedersachsen, E-Paper Nr. 9 der Akademie für Raumforschung und Landesplanung, Hannover
[4] Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK, Hrsg., 2009): Für den Notfall vorgesorgt, Vorsorge und Eigenhilfe in Notsituationen, Bonn, pdf zum Download
[5] Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und klimaschutz, Regierungskommission Klimaschutz (Hrsg., 2012): Empfehlung für eine niedersächsische Strategie zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels, Hannover
[6] Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg., 2012): Statement zur Pressekonferenz, Mehr Hitze, mehr Sturm und mehr Hochwasser? - Extremere Wetterereignisse erfordern gemeinsames Handeln, Berlin
[7] Umweltbundesamt, Kompetenzzentrum Klimafolgen und Anpassung (Hrsg., 2011): Anpassung an den Klimawandel, Bevölkerungsschutz, Themenblatt
[8] Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg., 2011): Klimawandel - Herausforderung für den Bevölkerungsschutz, Band 5 aus der Reihe Praxis im Bevölkerungsschutz,
Weitere Informationen
http://www.ernaehrungsvorsorge.de/
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg., 2010): Methode für die Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz , WissenschaftsForum Band 8, Download hier
Hitzewarnsystem des Deutschen Wetterdienstes www.dwd.de
Umweltbundesamt (Hrsg., 2009): Gesundheitliche Anpassung an den Klimawandel, Ratgeber, Download hier
Umweltbundesamt (Hrsg., 2008): Klimawandel und Gesundheit, Informationen zu gesundheitlichen Auswirkungen sommerlicher Hitze und Hitzewellen und Tipps zum vorbeugenden Gesundheitsschutz, Ratgeber, Download hier
Infos zum Thema UV-Strahlung und Sonnenschutz hier: [1] oder hier: [2]
Hitzeflyer und viele andere zum Download beim BBK hier: Faltblätter und Merkblätter
Bundesministerium des Innern (Hrsg., 2009): Nationale Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen (KRITIS-Strategie), Berlin, Download hier
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg., 2007): Basisschutz für Katastrophenschutz- und Hilfsorganisationen, Download hier
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg.): Stromausfall - Vorsorge und Selbsthilfe, Download hier
Bundesministerium des Innern (Hrsg., 2011): Schutz Kritischer Infrastrukturen - Risiko- und Krisenmanagement, Leitfaden für Unternehmen und Behörden, Download hier
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg., 2010): Krisenmanagement Stromausfall, Kurzfassung, Download hier
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg., 2010): Bauwerkssicherheit im Bevölkerungsschutz, Flyer zum Download hier
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg., 2011): Empfehlung zur Sicherheit von Gebäuden, Flyer zum Download hier
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg., 2010): Abschätzung der Verwundbarkeit gegenüber Hochwasserereignissen auf kommunaler Ebene, Band 4 der Reihe Praxis im Bevölkerungsschutz, Download hier
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg., 2008): Schutz Kritischer Infrastruktur: Risikomanagement im Krankenhaus, Band 2 der Reihe Praxis im Bevölkerungsschutz, Download hier